Auf der Suche nach dem Verstehen
Von
Konstanze Ährmann
Fremdsein
hat viele verschiedene Facetten. Bei der Begegnung zwischen Deutschen und
Emigranten aber auch zwischen Emigranten verschiedener Nationalitäten gibt es
immer wieder Missverständnisse, die nur durch das gemeinsame Gespräch, das
Kennenlernen und die Akzeptanz der Andersartigkeit gelöst werden können. Die
iranische Regisseurin Niloofar Beyzaie baut dazu mit ihrem ersten
deutschsprachigen Stück eine Brücke.
Das Ensemble, die freie Theatergruppe Daritsche, spielt in zwei Gruppen, die
zwar getrennt sind, aber doch zusammengehören. Die drei Schauspielerinnen,
Sükriye Dönmez, Parvaneh Hamidi und Inaam Wali, agieren zumeist als Einheit und
geben mal nüchterne Sachinformationen, mal den Ausdruck tiefer Gefühle wieder.
Maria Piniella und Farhang Kassraei, die auch die Textgrundlage lieferten,
spielen ein Paar – sie die Tochter von Immigranten und von Kindheit an in
Deutschland, er als politischer Flüchtling erst als erwachsener Exilant aus dem
Iran gekommen. Entsprechend der kollagenartigen Zusammensetzung der Szenen
kommen die Gemeinsamkeiten, aber auch die individuellen Aspekte jeder der fünf
Persönlichkeiten zum Ausdruck. So wird die Trennung der beiden Gruppen – die
drei Frauen agieren im Bühnenhintergrund, das Paar sitzt ganz vorne, fast in
Berührung mit dem Publikum – immer wieder aufgehoben durch Bewegungssequenzen,
bei denen die Individualität aller fünf Personen durch minimale Bewegungen,
umfassende Gesten und auch fremdsprachige Monologe veranschaulicht wird.
Eine durch die aktuelle Medien-Diskussion hervorgehobene Szene stellt die
Verschleierung der vier Frauen dar. Jede geht anders mit ihrem schwarzen Tuch
um, das sich wie ein Schleier um sie legt und ihre Persönlichkeit verdeckt. Die
eine scheint mit dem Schleier gut leben zu können, eine andere kämpft gegen das
Tuch, eine andere nutzt den Schleier, um sich selbst vor der Außenwelt zu
schützen. Diese Szene wirkt besonders intensiv, sie versinnbildlicht, dass
gerade die Hauptbetroffenen – die Frauen – im Islam nicht gefragt werden und
ohne Hilfe von außen allein mit ihrer Situation zurechtkommen müssen. Da helfen
Brücken wie dieses Stück, aus der eigenen Bequemlichkeit aufzuwachen und die
Realität zu erkennen, was in der Folge zu Verständnis und vielleicht auch zu
aktiver Hilfe von außen führen kann.
Auf jeden Fall ist der Besuch des Stückes „Fremd wie Du und Ich“ empfehlenswert
für diejenigen, die sich ihre eigene Meinung nicht nur durch die Wiedergabe der
subjektiven Medienwirklichkeit bilden. Die Inszenierung und die – zunächst
ungewohnte – anschließende Gesprächsrunde mit der Regisseurin und dem Ensemble
decken weitere Facetten des Fremdseins auf.